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Journalist werden? So läuft es in der Schweiz

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Journalistenschule, Volontariat oder einer der noch recht frischen Medien-Studiengänge? Welcher Weg in den Journalismus der “beste” ist, darüber streiten sich in Deutschland gerne mal die Geister. Doch wie sieht die Situation eigentlich in anderen Ländern aus? Andreas Wullschleger, Student im Bereich Journalismus und Organisationskommunikation am IAM in Winterthur, fasst die Ausbildungssituation in der Schweiz zusammen.

Lehrer, Polizist, Politologiestudentin, Geschichtsstudent, sind häufig Antworten, wenn man Schweizer Journalisten, die über 30 Jahre alt sind, nach ihrem Werdegang fragt. Die jüngeren haben meistens eine Ausbildung auf Fachhochschulbasis. Kurz zum höheren Ausbildungssystem in der Schweiz, ab Bachelorstufe: Es gibt die Universitäten, die sich auf die Theorie konzentrieren. Journalismus, oder Kommunikation gibt es nur indirekt, zum Beispiel mit dem Studiengang Publizistik. Direkt mit Journalismus in Berührung kommt man etwa bei Fachhochschulen. Diese bieten Praxisfächer an, in denen man dann verschiedene journalistische Textsorten lernt, über die Rechten des Journalisten aufgeklärt wird oder Tipps für gute Recherchetechniken erhält. Auch hier wird der Unterricht mit einer Prise Theorie angereichert.

Abseits der akademischen Welt gibt es noch spezielle Journalisten-Ausbildungen. Die Ringier-Journalistenschule ist eine davon. Sie ist die In House-Ausbildungsstätte des Medienunternehmens Ringier. Die Boulevardzeitung Blick gehört diesem Haus und so ist die Schule eher etwas verpönt. Allerdings wird dort schon seit längerem der Newsroom-Ansatz praktiziert und gelehrt. Hier gibt es aber keinen Bachelor. Eine weitere Lehranstalt ist das Medien-Ausbildungs-Zentrum MAZ. Sie ist eine der angesehensten Journalistenschulen der Schweiz. Hier gibt es ein Diplom oder später einen Master.

Die Kommunikations-Studiengänge der Fachhochschulen gibt es noch nicht so lange. So wurde etwa das Institut für Angewandte Medienwissenschaft in Zürich, eine der bekannteren Fachhochschulen in der Schweiz, erst im Jahr 2000 gegründet. Es wundert also nicht, wenn jemand vorher vor einer Schulklasse stand oder Strafzettel verteilte. Eine Radiomoderatorin bei SRF 3, einem öffentlich-rechtlichen Radiosender, war vor ihrer Karriere die Nachbarin eines Moderators, der dort arbeitet. Dieser war von ihrer Stimme so begeistert, dass er sie einlud, ein Praktikum zu machen. Heute ist ihre Stimme in der ganzen Schweiz bekannt.

Diesen Weg gibt es tatsächlich immer noch. Mit einem Praktikum oder Volontariat – in der Schweiz etwa dasselbe – öffnet sich die Tür in den Journalistenalltag einwenig. Mit viel Glück wird gerade eine Stelle frei und man rutscht rein. Man muss aber bereit sein, ein solches Praktikum zu machen, denn häufig sind sie schlecht bezahlt. In der Schweiz wurde der Gesamtarbeitsvertrag (in Deutschland Tarifvertrag) für Journalisten gekündigt. So kann es sein, dass man nicht mehr als 450 Franken pro Monat verdient. 3800 Franken wäre der schweizweite Mindestlohn. Wenn man sich dies nicht leisten kann, kommt ein Praktikum natürlich gar nicht in Frage. Trotzdem gibt es immer noch zahlreiche Bewerber auf Praktikumsplätze. Ganz nach dem Motto: Wenn du nicht willst, stehen noch andere an.

Mit dem Aufkommen der Fachhochschulen ändert sich dieser Trend aber langsam. Ein Bachelor in Kommunikation ist heute fast schon Standard. Ein grosser Vorteil daran ist, dass gerade bei der Qualitätssicherung im Journalismus früh angesetzt werden kann. Ein Thema, das zurzeit heiss diskutiert wird in der Schweiz. Print-Journalisten werfen den Onlinern vor, sie würden zu ungenau und zu boulevardesk arbeiten. Von Radioredaktoren reden wir schon gar nicht. So geht es hin und her. Um einheitliche Richtlinien betreffend der Qualität des publizistischen Produktes zu erreichen, gibt es bekanntlich viele theorethische Modelle. In den Schulen wird nun versucht, diese Modelle fit für die Praxis zu machen. Trifft man als Fachhochschulabgänger dann aber in der Arbeitswelt auf einen Chefredaktor, der noch den „alten“ Weg gegangen ist, verfliegen schnell einmal diese Modelle. Da macht es denn auch nicht gross Sinn, mit dem Chef darüber zu diskutieren, denn vielfach sind solche Hochschulmodelle in der Praxis gar nicht bekannt oder verschmäht.

Interessant wird es in ein paar Jahren, wenn es einen Generationenwechsel geben wird. Dann nämlich, wenn die ersten Fachhochschulabgänger den Chefposten übernehmen und theoretische Modelle anwenden könnten. Viele Theoretiker in der Schweiz versprechen sich viel davon. Der quantitative Druck wird allerdings bleiben oder gar noch zunehmen und so wäre es nicht verwunderlich, wenn alles beim Alten bliebe.

Ob Ausbildung „On the Job“, oder mit Bachelor, macht meiner Meinung nach keinen grossen Unterschied. Denn was gibt es schöneres, als von einem passionierten Schreiberling zu lesen, oder von einem redegewandten Moderator zu hören. Hochschulabschluss hin oder her.

Über den Autor:
Andreas Wullschleger ist Schweizer und studiert im Bereich Journalismus und Organisationskommunikation am Institut für Angewandte Medienwissenschaft (IAM) in Zürich. Ausbildungsstandort ist jedoch die Stadt Winterthur. Andreas Wullschleger twittert als @wullipulli und bloggt unter unpluggedonline.ch.

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